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Zum Gewaltbegriff

20.06.2013 15:22

Gewalt ist nach Ungerer überall zu finden. Als eine dynamische Größe geht sie mit unterschiedlicher Entstehungsgeschichte aus den Lebensumständen der Menschen hervor und wird von den Menschen selbst geprägt (vgl. UNGERER 2008, S.1). Und im pädagogischen Kontext heißt es: Gewalt und Konflikte in pädagogisch-institutionellen Handlungsfeldern gibt es schon so lange wie die Institutionen selbst (BÜTTNER/SCHWICHTENBERG 2000, S.19).

Obwohl Gewalt also eng mit der menschlichen Existenz korrespondiert, wird Gewaltforschung erst seit den 1940er Jahren betrieben. Zudem existiert nicht einmal eine allgemeingültige Definition des Gewaltbegriffs. Die Definition dessen, was man als Gewalt fassen kann und was nicht, bzw. wo die Grenzen des Einverständnisses darüber gezogen werden, wird höchst unterschiedlich ausfallen (HEITMEYER 1995, S.17f.). Frech (vgl. 1993, S.60) beispielsweise definiert Gewalt als „zielgerichtetes Schädigen und Beeinträchtigen anderer“. KEMPF (vgl. 1983, S.22) wiederum spricht schon von Gewalt, wenn ein Handeln gegen grundlegende Rechte oder einen allgemein anerkannten Bedarf eines Anderen verstößt. Und eine weitgreifende Definition liefert Petersen, bei der die Sichtweise auf das dialogische Verhalten gerichtet ist: “Gewalttätig ist menschliches interaktives Verhalten dann, wenn der sich verhaltende Interaktionspartner sein Interesse durchzusetzen versucht, ohne dieses Interesse wohlbegründen zu wollen“ (PETERSEN 1997:25)1. Und zuallerletzt eine entwicklungspsychologische Sichtweise von Galtung, die in Bezug auf Schüler eine wichtige Rolle spielt. Er bezeichnet Gewalt als die “[…] vermeidbare Beeinträchtigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse oder, allgemeiner ausgedrückt, des Lebens, die den realen Grad der Bedürfnisbefriedigung unter das herabsetzt, was potentiell möglich ist” (GALTUNG 1993, S.106). Damit ist sowohl die psychische als auch physische Beeinträchtigung menschlicher Entwicklung impliziert. Autor: Mitat Karahan

 

Literatur:

Büttner, C./Schwichtenberg, E. (Hrsg.) (2000): Brutal und unkontrolliert. Schülerge-walt und Interventionsmöglichkeiten in der Grundschule. Beltz Praxis.

Frech, S. (1993): Aggression und Gewalt in der Schule. bildung & wissenschaft 1993, 59-64.

Galtung, J. (1993): Kulturelle Gewalt. In: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. Der Bürger im Staat 43, S.106-112.

Heitmeyer, W. (1995): Gewalt. Schattenseiten von Individualisierungsprozessen bei Jugendlichen aus unterschiedlichen Milieus. Weinheim/München.

Petersen, P. J. (1997): Der Terminus Gewalt. Versuch einer terminologischen Bestimmung auf der Grundlage des methodischen Konstruktivismus. Monographie zur konstruktiven Erziehungswissenschaft. Arbeitsgruppe konstruktive Erziehungswissenschaften (AKE) am Institut für Pädagogik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Hrsg.).

Ungerer, D. (2008): Wissenschaftliche Aspekte von Gewaltphänomenen, insbesondere ge-gen Polizeibeamte. Forum: Gewalt gegen Polizeibeamte. Deutsche Polizeigewerkschaft im DBB (DPoIG), Bayern. München 27.08.2008.

 

Beispielsweise kann (etwas ungenau) gefragt werden, ob ein Mensch gewalttätig zu nennen ist, wenn er einem anderen Menschen ein Messer in den Bauch sticht. In der Regel ist die Antwort ohne Zögern ein „ja“. Wenn die Antwort korrekt wäre, müssten alle Chirurgen als gewalttätig gelten. In der Tat sind sie es nach dem Gesetz aber nur dann, wenn sie – von Notfällen abgesehen – vor der Operation ihren Patienten nicht aufgeklärt und nicht um Zustim-mung gebeten haben (Krope et al.2011: Gewaltstudie. Monographie zur konstruktiven Erziehungswissenschaft. Arbeitsgruppe konstruktive Erziehungswissenschaften (AKE) am Institut für Pädagogik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Hrsg.).

 

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